Bericht: Aktionstag zum Thema Hass und Hetze

22. Februar 2022

Wo hört Privatsphäre auf, wo verstoße ich gegen Grundrechte?

Warum ist das Recht am eigenen Bild wichtig? Warum darf der Polizist auf der Demo mit seiner Body-Cam draufdrücken? Warum muss der Student mit seiner Handykamera bei der gleichen Veranstaltung aber vorsichtig sein? Warum darf ein Facebook-Post, der Aussagen wie diese verbreitet „Diese Goldstücke können nur eines: morden, klauen, randalieren“ möglicherweise unzensiert im weltweiten Netz stehen bleiben? Solchen Fragen sind Elftklässler der Liebfrauenschule Mülhausen im Zuge eines Projekttages „Rassismus, Hass und Hetze, Zivilcourage gegen Stammtischparolen“ nachgegangen. Der Verein GrundGesetzVerstehen ging in insgesamt sechs Unterrichtsblöcken mit den Schülern Fallbeispiele durch, diskutierte diese und verteilte Rollenspiele, damit die Heranwachsenden die jeweiligen Argumentationen abwägen und sich ein Urteil bilden konnten.
„Ich habe am Projekttag gelernt, dass jede Meinung zunächst zu schützen ist, auch wenn sie mir nicht gefällt“, sagt Jan Rosing. Der 17-Jährige ist in die Rolle eines fiktiven Facebook-Autors geschlüpft, der eine ausländerfeindliche Hassrede im Netz verbreitet. Lisa Deckers von GrundGesetzVerstehen sensibilisiert den Hinsbecker und seine 19 Mitschüler im Klassenraum einerseits über die Machtstellung von Facebook, andererseits über die Grundrechte, die durch eine solche Hassrede verletzt sein könnten. Im Ergebnis, so die Lobbericherin, die 2011 an der Liebfrauenschule Mülhausen ihr Abitur gemacht hat und heute ihr Rechtsreferendariat absolviert, hat Facebook den Post wieder ins Netz stellen dürfen. „Jura ist nicht schwarz/weiß.“ Ob ein solcher Kommentar gelöscht werden muss, wird von Fall zu Fall abgewogen. Hier kommen die im Grundgesetz verankerten Artikel zu Meinungsfreiheit und Verletzung von Persönlichkeitsrechten ins Spiel.
Um das Recht am eigenen Bild geht es den Schülern Felix Zahn und Jannis Meyer, die aus dem Blickwinkel der Polizei eine Parole wie „Die brutale Polizei handelt nicht rechtsstaatlich“ unter die Lupe nehmen. Maximilian Camphausen von GrundGesetzVerstehen arbeitet mit den beiden 16-Jährigen eine differenzierte Betrachtung heraus: Hier die Ordnungshüter, die einen Auflauf mit gewaltbereiten Demonstranten mitfilmen, nicht um sie ins Netz zu stellen, sondern um Straftaten zu verhindert; dort ein YouTuber, der den Betroffenen mit seiner Öffentlichmachung möglicherweise schwerwiegende Nachteile zufügt. „So etwas kann bis hin zu Beleidigungen führen sowie im Alltag oder im Job negativ ausgelegt werden“, so der Jura-Doktorand an der Universität Düsseldorf. Grundsätzlich gilt: „Der Schutz der Privatshäre ist im Grundgesetz gesichert.“
Nach dem ersten Auftritt des interdisziplinären Teams von GrundGesetzVerstehen in Mülhausen im Oktober vergangenen Jahres sind nach den Achtklässlern nun die Oberstufenschüler des Gymnasiums an der Reihe gewesen. „Unser Ziel ist, das Grundgesetz einfach und verständlich sowie anhand aktueller Beispiele zu erklären“, berichtet Lisa Deckers. Die Liebfrauenschule ist bereits die zehnte Einrichtung, die die Juristen, Psychologen, Sozialarbeiter und Betriebswirtschaftler deutschlandweit besuchen. Der Einsatz, der jetzt bei den Elftklässlern für ein tieferes Verständnis der verfassungsmäßig geschützten Grundrechte gesorgt hat, ist von der Bundeszentrale für politische Bildung ausgezeichnet worden.



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